Ausgangssituation

Die Kiesufervegetation am Bodensee (Strandrasen) ist besonders schützenswert, weil hier mit Bodensee-Vergissmeinnicht (Myosotis rehsteineri) und Bodensee-Schmiele (Deschampsia rhenana) zwei Arten zu finden sind, die weltweit (fast) nur noch hier vorkommen. Aufgrund des kleinen Verbreitungsareals und des starken Nutzungsdrucks am Ufer gehören sie zu den am stärksten bedrohten Arten in Mitteleuropa. Daher sind sie auf allen Roten Listen der Bodensee-Anrainerstaaten als „vom Aussterben bedroht“ aufgeführt.

Während die Bestandsentwicklung beim Bodensee-Vergissmeinnicht im langfristigen Trend durchaus positiv verlief, ist dies bei der Bodensee-Schmiele nicht der Fall. Die Populationen von Deschampsia rhenana sind klein und die Bestandszahlen häufig rückläufig. Am gesamten Bodenseeufer sind 2011/2012 nur noch Bestände mit einer Fläche von ca. 120 m² vorhanden (siehe beide Verbreitungskarten).

Obwohl die Bodensee-Schmiele auf den ersten Blick eine eher unscheinbare Gras-Art ist, ist sie dennoch einzigartig. Die Pflanzen vom Bodensee unterscheiden sich von verwandten Arten durch eine auffällige Form der vegetativen Vermehrung, der sog. Pseudoviviparie oder Vergrünung. Die Blüten bilden anstatt Samen kleine neue Graspflänzchen. Bereits Eugen Baumann hat 1911 in seiner Arbeit über die Vegetation des Untersees vermutet, dass diese Vermehrungsform als Anpassung an die amphibische Lebensweise der Bodensee-Schmiele (stark schwankende Wasserstände des Bodensees) zu deuten ist. Es bilden sich jedoch auch Samen, die eine normale sexuelle Vermehrung erlauben.

Bis vor kurzem wurden die Pflanzen vom Bodensee als Deschampsia littoralis bezeichnet. Neuere genetische Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass D. littoralis vom Lac de Joux der weit verbreiteten Rasen-Schmiele (D. cespitosa) verwandtschaftlich näher steht als den Pflanzen vom Bodensee. Daher werden die Pflanzen am Bodensee unter dem Namen Deschampsia rhenana wieder als eine eigenständige Art betrachtet (Hand & Butler 2014, Peintinger et al. 2012). Somit ist die Verbreitung dieser Art weltweit auf das Bodenseegebiet beschränkt. Der deutsche Name wurde angepasst (Bodensee-Schmiele). Die Pflanzen aus der Westschweiz heißen weiterhin Deschampsia littoralis bzw. Strand-Schmiele. Auf den folgenden Karten stehen noch die früheren Bezeichnungen.

 

 

 

 

Das Projekt

 

Ziel des Projekts ist es, die Ursachen des Rückgangs der Bodensee-Schmiele genauer zu untersuchen und die Nachzucht und Wiederansiedlung zu erproben. Dazu dienen vier Teilprojekte:

  

1. Auswertung bestehender Daten

Die Strandrasen am Bodensee werden seit Jahrzenten beobachtet. Daten, die im Rahmen dieser Monitoring-Programme gewonnen wurden, werden speziell hinsichtlich der Populationsentwicklung von D. rhenana ausgewertet.

  

2. Untersuchungen zu Vermehrung und Ausbreitung

In zehn Populationen werden zwischen zwei und fünf Dauerflächen eingerichtet, um die Populationsentwicklung zu beobachten. Speziell Ausbreitung und Vermehrung sollen untersucht werden, da diese entscheidend für den Erhalt der Populationen sind.

  

3. Ausbau der Erhaltungskultur

Frühere genetische Untersuchungen haben gezeigt, dass trotz vegetativer Vermehrung die genetische Vielfalt der Populationen recht groß ist. Dem muss auch bei den Erhaltungskulturen Rechnung getragen werden. Deshalb sollen weitere Pflanzen gesammelt werden, um mehr Genotypen zu erhalten.

 

 4. Bestandsstützung über Pseudoviviparie

Bestandsstützungen sollen in fünf Populationen mit Hilfe der pseudoviviparen Blütenrispen erprobt werden.

  

5. Wiederansiedlungsversuch

Wiederansiedlungen werden an je einem Ort in Baden-Württemberg, Bayern, Thurgau und Vorarlberg durchgeführt und deren Erfolg untersucht.

 

 

Projektpartner

Projektdurchführung

 

Arbeitsgruppe Bodenseeufer (AGBU), Konstanz:

  •    Dr. Markus Peintinger, Irene Strang
  •    Umweltbüro Markus Grabher (UMG), Bregenz (Mitglied bei AGBU)
  •    Botanischer Garten der Universität Konstanz: Dr. Gregor Schmitz

 

Fachliche und finanzielle Unterstützung

  • Regierungspräsidium Freiburg, Ref. 56 Naturschutz und Landschaftspflege, Freiburg
  • Landesanstalt für Umweltschutz Bayern, Ref. 51 Fachgrundlagen Naturschutz, Augsburg
  • Amt für Raumentwicklung des Kantons Thurgau, Frauenfeld
  • Amt der Vorarlberger Landesregierung (Natur- und Umweltschutz), Bregenz

 

Kontakt

Dr. Markus Peintinger

Güttinger Str. 8/1 | D-78315 Radolfzell

Tel. +49(0)7732 / 919527

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Literatur

Baumann E. (1911): Die Vegetation des Untersees (Bodensee). – Archiv für Hydrobiologie, Supplement 1: 1–554.

Dienst M., Strang I. & Peintinger M. (2004): Entdeckung und Verlust botanischer Raritäten am Bodenseeufer – das Leiner-Herbar und die Strandrasen. – Ber. Bot. Arbeitsgem. Südwestdeutschland. Beiheft 1: 209–230.

Hand R. & Buttler K.-P. (2014): Beiträge zur Fortschreibung der Florenliste Deutschlands (Pteridophyta, Spermatophyta) – Siebte Folge. – Kochia 8: 71–89.

Peintinger M., Arrigo N., Brodbeck S., Koller A., Imsand M. & Holderegger R. (2012): Genetic differentiation of the endemic grass species Deschampsia littoralis at pre-Alpine lakes. – Alpine Botany 122: 87–93.

Peintinger M., Strang I., Miller I. & Dienst M. (2010): Monitoring in einem FFH-Lebensraum: Bestandsentwicklung von Strandrasenarten am Bodensee 1987–2006. – Natur und Landschaft 85: 470–477.

Schmitz G., Dienst M., Peintinger M. & Strang I. (2006): Der Bodensee-Strandrasen: Ex-situ-Kultur verschiedener Arten im Botanischen Garten Konstanz. – Schriften Ver. Geschichte Bodensee 124: 221–230.

Strang I., Dienst M. & Peintinger M. (2012): Die Entwicklung der Strandrasen am Unterseeufer in den letzten 100 Jahren. – Mitteilungen der  Naturforschenden Gesellschaft Thurgau 66: 199–223.

Adresse

c/o Barbara Mayer

Bettengasse 7

D-78464 Konstanz 

Kontakt

+49 (0)7531 27395

info@bodensee-ufer.de

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